Risikobäume im Wald

Überlegungen zum Klimaschutz und Klimawandel haben einen besonderen Stellenwert in der Diskussion um die Waldpflege. Ein wichtiger Punkt ist hier der Umgang mit Risikobäumen im Wald, insbesondere in Bezug auf Fällentscheidungen.

Vorbemerkung

Überlegungen zum Klimaschutz und Klimawandel haben einen besonderen Stellenwert in der Diskussion um die Waldpflege. Der Klimawandel lässt eine Zunahme extremer Witterungsereignisse wie Starkregen, Dürre, Hitze und Orkan erwarten. Zuletzt hat der Orkan "Ela" am 9. Juni 2014 das Grün in unserer Stadt stark verwüstet. Auch die Bedeutung der Funktion des Waldes als Ort der Erholung, für gute Luft und gutes Klima für die Bewohnerinnen und Bewohner unserer Stadt ist ein wesentlicher Faktor, welcher Ziele und Vorgehensweisen bei der Waldpflege im Wald der Stadt Essen bestimmt.

Ein wichtiger Punkt ist der Umgang mit Risikobäumen im Wald, insbesondere in Bezug auf Fällentscheidungen. Seit vielen Jahren bemüht sich die Stadt Essen, die Verkehrssicherung im Stadtbaumbestand und in den Essener Wäldern immer differenzierter und wesentlich baumerhaltender zu gewährleisten.

Der Anspruch des Fachbereiches Grün und Gruga besteht darin, basierend auf der interdisziplinären Betrachtung von anerkannten Regeln der Technik, stets die eigene Arbeitsweise zu hinterfragen und im Austausch mit den Einrichtungen von Wissenschaft und Forschung weiterzuentwickeln. Beispielhaft erwähnt sei an dieser Stelle das Projekt "BaumAdapt" für die Stadt Essen.

Verkehrssicherungspflicht und Baumkontrolle im Wald

Anders als an öffentlichen Straßen gibt es im Wald keine umfassende Verkehrssicherungspflicht für Bäume. Dies gilt für sogenannte „waldtypische Gefahren“, die von lebenden und toten Bäumen, dem Aufwuchs beziehungsweise dem natürlichen Baumbestand ausgehen.

Dagegen besteht an der Außengrenze der Waldflächen zu Objekten mit Verkehrssicherungspflichten, z.B. zu Straßen, Schienenwegen, Radrouten der Nahmobilität, beschlossenen Sportstrecken, der Bebauung oder an Erholungseinrichtungen, eine Pflicht zur Durchführung von regelmäßigen Baumkontrollen. Dies erfolgt im Fall der Stadt Essen über zertifizierte Dienstleister.

In Zeiten des Klimawandels und unter Beachtung der besonderen Bedeutung des Essener Großstadtwaldes für die Bevölkerung hat Grün und Gruga entschieden, einen Lösungsansatz für den möglichst langen Erhalt wertvoller Einzelbäume mit Vorschädigungen zu verfolgen. Hierzu wurde in Zusammenarbeit mit externer Expertise für den Wald ein die Regelkontrolle ergänzendes Konzept entwickelt. Ziel ist eine baumerhaltende Kontrolle in Verbindung mit einer nachfolgenden Erhaltungspflege für den Waldbaum.

Die besonders erhaltungswürdigen Einzelbäume werden in diesem Fall analog zur Stadtbaumkontrolle und ergänzend zur Regelkontrolle im Wald einer eingehenden Untersuchung durch einen Baumsachverständigen unterzogen. Das hierfür entworfene ergänzende Konzept zur Baumkontrolle für den eng siedlungsverzahnten städtischen Wald mit hoher Bedeutung für Erholung und Klimaschutz wird im Folgenden vorgestellt.

Ein ergänzendes Konzept für Baumkontrollen zum Erhalt wertvoller Einzelbäume im Wald ist erforderlich

Bei einer rein forstlichen Betrachtung werden in den Waldbeständen festgestellte Risikobäume in der Regel bei der nächsten Waldentwicklungsmaßnahme oder bei erhöhtem Risiko auch schon vorher gefällt. Der Verlust ist hierbei gut zu verkraften, da die Bäume in Waldbeständen meist so eng beieinanderstehen, dass die Nachbarbäume die entstehenden Lücken binnen kurzer Zeit schließen können. Spätestens seit dem Orkan „Ela“ ist die Anfälligkeit unserer Wälder und Stadtbaumbestände für die Folgen des Klimawandels für jeden deutlich sichtbar geworden. So hat der Sommerorkan im Jahr 2014 eine Vielzahl unserer besonders wertvollen alten Waldbaumbestände so stark aufgelichtet, dass sich ihr Gesundheitszustand insbesondere in den vergangenen - für unsere bisherigen Verhältnisse extremen - Dürrejahren abermals massiv verschlechtert hat.

In diesen Waldbereichen konzentriert sich die Waldentwicklungspflege, wie auch bereits im aktuellen Forsteinrichtungswerk dargestellt, auf die Sicherung und Pflege vitaler und zukunftssicherer Jungbäume durch Naturverjüngung inklusive Ergänzung durch Pflanzung. Ergänzend zielt die Waldentwicklungspflege in diesen Bereichen auf den möglichst langen Erhalt der wertvollen Altbäume ab, selbst wenn dies nur mit zusätzlichen Pflegemaßnahmen möglich ist. Diesen Bäumen kommt immer noch eine wichtige Rolle im Waldökosystem zu.

Hierbei geht es nicht nur um den reinen Erhalt von Baumgestalten mit oft hohem Habitatwert für Tiere und andere Organismen des Waldes. Weitere Faktoren sind die "Schutz- und Ammenwirkung" für nachfolgende Baumgenerationen, die gewünschte Beschattung von Nachbarbäumen zum Schutz vor Sonnenbrand, aber auch die Erhaltung eines kleinklimatischen Waldinnenklimas und die damit verbundene Verminderung von Trockenstress. Insgesamt ist es also das Ziel von Grün und Gruga, möglichst viel Baumsubstanz im Waldökosystem zu erhalten.

Lösungsansatz

Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, erkannte erhaltungswürdige Risikobäume zunächst eingehend zu untersuchen, was in der Regel ohne aufwändige technische Unterstützung vor Ort möglich ist. Hieraus ergeben sich drei Szenarien:

  • Bäume, welche durch Kronensicherungsschnitte in einen sicheren Zustand versetzt werden können
  • Bäume, welche nach Kappung und Totholzentfernung verbleiben können
  • Bäume, bei denen die Fällempfehlung durch die Untersuchung bestätigt wird

Die Entscheidungsabwägung muss durch besonders sach- und fachkundige Begutachtung vor Ort getroffen werden.

Die geschilderte Vorgehensweise ist ein sachverständig vertretbarer Weg und wird bereits seit dem 1.10.2022 umgesetzt. Die der Konzeption zugrunde liegende Erwartung und Zielsetzung konnte bestätigt werden. Somit ist es möglich, einen großen Teil der erkannten Risikobäume so zu sichern, dass die Fällentscheidung abgewendet werden kann.

Verfahren

Im Zuge der eingehenden Untersuchung der erkannten Risikobäume werden durch den Sachverständigen Maßnahmen zum Erhalt entwickelt und abgewogen. Ziel ist die Herstellung bzw. der Erhalt der Verkehrssicherheit. Die Maßnahmen werden dann von entsprechend ausgebildeten Mitarbeitenden von Grün und Gruga umgesetzt.

Je nach Erfordernis werden geschädigte Kronenteile entfernt oder die gesamte Krone im Grob- und Starkastbereich eingekürzt. Dies geschieht in der Regel unter Einsatz großer Hebebühnen, mit deren Hilfe die Kronen leicht erreicht werden können.

So entsteht außerhalb der Sicherheitszonen zu Straßen, Schienenwegen und Spielplätzen ein Bestand ergänzender, temporärer Habitatbäume, die das hohe Natur- und Artenschutzpotential des Baumbestandes erweitern, bis die Stand- und Bruchfestigkeit des verbliebenen Baumteiles nicht mehr verantwortet werden kann.

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