Auftaktveranstaltung in der Alten Synagoge:
Abendvortrag von Prof. Dr. Carsten Wilke (Central European University, Wien)
[in englischer Sprache]
„Lapidare Üppigkeit: Europäische Variationen des Barockstils in hebräischen Inschriften“
Die jüdischen Gemeinden im frühneuzeitlichen Europa gaben ihren Grabstätten eine gewählte poetische und visuelle Formensprache, deren Sinn für Theatralik und emotionalen Effekt sich als „barock“ beschreiben lässt. Der Vortrag fragt nach den literarischen Konventionen, die sich vom 16. zum 18. Jahrhundert entfalteten und stellenweise bis in das frühe 20. Jahrhundert lebendig blieben. Aus dem Italien der Renaissance verbreitete sich eine Kunstgattung metrisch-strophischer Grabdichtung, während sich mittelalterliche Traditionen gereimter Prosa behaupteten und parallel weiterentwickelten. Der Überblick orientiert sich an den großen Friedhöfen von Venedig, Istanbul, Wien, Prag und Hamburg-Altona, doch bezieht das Bild auch die zerstörten Friedhöfe osteuropäischer Städte ein, von denen nur noch sekundäre Zeugnisse künden. Die jüdische Sprache über Leben, Tod und Ewigkeit soll in ihrer lebendigen Kreativität dargestellt werden, geprägt von zahlreichen anonymen Dichtern in den Metropolen und Landgemeinden des Kontinents.
Dieser öffentliche Abendvortrag (in englischer Sprache) eröffnet die internationale Auftakttagung „Jewish Cemeteries in Premodern Europe: Interdisciplinary Perspectives“ des Langzeitvorhabens „Steinerne Zeugen digital“, das vom Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen sowie der Professur für Judaistik und dem Kompetenzzentrum Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien der Universität Bamberg gemeinsam durchgeführt und im Forschungsprogramm der deutschen Wissenschaftsakademien gefördert wird. Die Tagung findet vom 9. bis 11. September im Glaspavillon der Universität (Campus Essen) statt. Das Programm finden Sie unter www.steinheim-institut.de. Der Eintritt ist frei.
Carsten Wilke ist Professor für Geschichte und Religionswissenschaften an der Central European University (CEU) in Wien. Er wurde an der Universität Köln im Fach Judaistik promoviert und war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Steinheim-Institut, bevor er 2009 an die CEU berufen wurde. In seinen Publikationen erforscht er Themen aus der Geschichte des sephardischen Judentums, der jüdisch-christlichen Beziehungen und des neuzeitlichen Rabbinats.