Stadtansichten aus dem
Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv

Ansichten der Städte Essen und Werden

Stadtansichten sind wichtige Quellen, um das Bild historischer Städte zu rekonstruieren. Die ersten Stadtdarstellungen, zum Beispiel auf Siegeln oder Altarbildern, sind bereits aus dem Mittelalter überliefert. Doch handelt es sich dabei nicht realistische Abbilder der jeweiligen Stadt, sondern um symbolhafte Darstellungen. Erst in der italienischen Frührenaissance entstanden seit der Mitte des 15. Jahrhunderts wirklichkeitsnähere Stadtbilder, häufig in der Form von Gesamtansichten. Seit dem 16. Jahrhundert wurden Stadtansichten von der sich zum Massenmedium entwickelnden Druckgraphik aufgegriffen und in Form von Kupferstichen und Radierungen weit verbreitet. Im Lauf des 16. und 17. Jahrhunderts wurden auf diese Weise Gesamtansichten der meisten europäischen Städte erstellt und nicht selten in mehrbändigen, repräsentativen topographischen Sammelwerken, den sogenannten Städtebüchern, verbreitet. Diese wurden häufig kopiert und nachgedruckt und dabei teilweise auch verändert.

Historischen Wurzeln der heutigen Stadt

Auch von den alten Städten Essen und Werden, den beiden historischen Wurzeln der heutigen Stadt Essen, sind in den bedeutendsten Städtebüchern der Zeit Gesamtansichten überliefert. Die älteste gedruckte Darstellung der Städte Essen und Werden findet sich in dem ab 1572 von Georg Braun (1541-1622) und Frans Hogenberg (1535-1590) in Köln herausgegebenem sechsbändigen Standardwerk „Civitates Orbis Terrarum“ (Städte des Erdkreises) und wurde hier 1581 erstmals veröffentlicht. Die Druckplatten dieses weit verbreiteten Standardwerks gelangten später an den Amsterdamer Verleger und Kartographen Johannes (Jan) Janssonius (1588-1664), der sie für seinen erstmals 1639 erschienenen, ursprünglich dreibändigen Atlas „Theatre du monde“ (Theater der Welt) wiederverwendete. Der Atlas, der den Anspruch erhob, die gesamte damals bekannte Welt zu beschreiben und abzubilden, erschien ab 1641 auch in deutscher Sprache und erlebte mehrere, stetig erweiterte Auflagen. Auch die Städte Essen und Werden fanden mit zwei kolorierten Gesamtansichten Aufnahme in das heute relativ seltene Werk von Janssonius.

Ansichten der Städte Essen und Werden, aus: Jan Janssonius, Newer Atlas, Amsterdam 1657 [kolorierter Nachdruck von Georg Braun, Franz Hogenberg, Civitates orbis terrarum, Köln 1581].

Signatur: KU 900/41

Kleinformatige Ansichten der Städte Essen und Werden

Im 17. Jahrhundert wurden kleinformatige Ansichten der Städte Essen und Werden auch in eines der Hauptwerke des aus Basel gebürtigen Verlegers und Kupferstechers Matthäus Merian (1593-1650) aufgenommen. In seinem Verlag in Frankfurt veröffentlichte Merian unter dem Titel „Topographia Germaniae“ (Beschreibung und Darstellung Deutschlands) von 1642 bis 1654 in Frankfurt am Main in 16 Bänden mehr als 2.000 Ansichten von bemerkenswerten Städten, Burgen und Klöster in den Territorien des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Das Werk gilt heute als eines der bedeutendsten Werke geographischer Illustration.

Ansichten der Städte Essen und Werden, aus: Matthäus Merian, Topographia Germaniae, Frankfurt am Main 1647.

Signaturen: 900/43 und 900/44

Zeitgenössischen Sammelwerke im Einzeldruck

Stadtansichten wurden allerdings auch außerhalb der bekannten zeitgenössischen Sammelwerke im Einzeldruck erstellt und veröffentlicht. Ein solches Werk stellt die um 1670/80 von einem unbekannten Künstler erstellte Kupferstichansicht der Stadt Essen dar. Sie zeigt neben den auf allen frühneuzeitlichen Ansichten prominent dargestellten, stadtbildprägenden Kirchenbauten erstmals auch das Rathaus, das mit dem Reichsadler – dem Symbol der Reichsfreiheit – gekennzeichnet und eigens beschriftet ist. Diese Darstellung der Stadt Essen macht exemplarisch deutlich, dass Stadtansichten nicht einfach als realistische Darstellungen und Illustrationen eines Ist-Zustandes wahrgenommen werden dürfen. Vielmehr sind auch sie mit Blick auf ihre Medien- und Produktionsgeschichte quellenkritisch zu hinterfragen.

Auch wenn die Urheber des Kupferstichs heute nicht mehr bekannt sind, handelt es sich vermutlich um Bürgermeister, Ratsherrn oder höhere Verwaltungsbeamte, die die seit Jahrhunderten von der Stadt behauptete, aber stets umstrittene reichsstädtische Autonomie gegenüber der Fürstäbtissin mit dieser Darstellung betonten. Mit dem besonders hervorgehobenen Rathaus wird die Stadt Essen programmatisch als freie Reichsstadt dargestellt.

Höchstwahrscheinlich wurde der Kupferstich nach dem Ende des Reichskammergerichtsprozesses erstellt, den die Stadt Essen seit 1568 gegen die Fürstäbtissin wegen der Reichsunmittelbarkeit führte und der 1670 mit einem salomonischen Urteil entschieden wurde. Beide Parteien wurden in ihren althergebrachten Rechten bestätigt, was von Vertretern der Stadt als Bestätigung der reichsstädtischen Autonomie gelesen werden konnte.

Ansicht der Stadt Essen (um 1680).

Signatur: 900/45.1

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