Plakate im Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv

Plakate sind als klassisches Kommunikationsmittel selbst in den heutigen digitalen Zeiten kaum wegzudenken. Wir sehen sie auf Litfaßsäulen, Bauzäunen und sogar in eigenen Aufstellern mitten auf dem Grünstreifen einer Straßenkreuzung. Schon vor dem Buchdruck im Spätmittelalter wurden plakatähnliche Blätter dazu genutzt, Neuigkeiten, politische Entscheidungen und Anordnungen in der Bevölkerung zu verbreiten. Zunächst noch mit Zeichnungen aufwändig gestaltet, kamen mit zunehmender Alphabetisierung der Bürgerinnen und Bürger vermehrt Texte ins Spiel, bis die Plakate heute vor allem durch den Einsatz diverser Farben, Collagen und Subtext Aufmerksamkeit generieren.

Das Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv verwahrt im Bestand 910 über 5.300 Plakate aus drei Jahrhunderten mit einem zeitlichen Schwerpunkt nach 1945. Sie zeugen von Ereignissen ab der Märzrevolution 1848 über die Berichterstattung in den zwei Weltkriegen bis hin zu Bekanntmachungen der Stadtspitze und Besatzungsmächte. Aber auch Wahlplakate und diverse Veranstaltungs- und Terminplakate sind zahlreich vorhanden. In der Plakatsammlung stehen vor allem der konkrete Ortsbezug zu Essen und der Informationswert im Vordergrund, aber auch der graphische Wert des Einzelstücks spielt eine Rolle.
Ein Großteil der im Stadtarchiv vorhandenen Plakate wurde in den vergangenen Jahren digitalisiert, so dass sie zum einen bequem online über die Archivdatenbank recherchiert und digital zur Verfügung gestellt werden können und zum anderen durch geringes Ausheben langfristig geschont werden.

Früher: Mehr Text als Farbe

Die Gestaltung von Plakaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts unterscheidet sich deutlich von der des 21. Jahrhunderts. Um Aufmerksamkeit zu erlangen, wurden entweder groß gedruckte Schlagworte genutzt oder farbiges Papier verwendet. Die Anzeige des jährlichen Frühjahrspferdemarkts in Essen-Ruhr beispielsweise nutzte beide Wege und warb sowohl mit dicken Lettern als auch mit rötlichem Papier auf einer Größe von 91 x 58 cm für den Verkauf sämtlicher Pferderassen und weiteren Zubehörs auf dem Städtischen Viehhof im Jahr 1911.
Terminplakat zum Frühjahrs-Pferdemarkt am 22. und 23. Februar 1911 auf dem Städtischen Viehhof an der Stoppenberger Straße.


Signatur: 910 Nr. 2148.

Einen Großteil des Plakatbestandes machen allerdings politische und städtische Bekanntmachungen aus. Diese zeugen bis zur den 1950er- Jahren eher von Verhaltensaufforderungen der jeweiligen Regierung und wurden daher schlicht gehalten. Ihre Form ist klein und handlich und gleicht einem Flugblatt oder Handzettel, der sowohl verteilt als auch prominent angeschlagen werden konnte. In diesem Zusammenhang seien besonders die Flugblätter und Karikaturen aus der Zeit der Ruhrbesetzung 1923 bis 1925 genannt, die sowohl die französische als auch die deutsche Propaganda eindrücklich dokumentieren.
Während des Ersten Weltkriegs wurden die Bekanntmachungen vor allem dazu verwendet, um die Bevölkerung zu informieren und zu instruieren. So nutzte auch der Polizei-Präsident im Jahr 1917 dieses Flugblatt zum Verhalten bei Fliegerangriffen und sorgte auf dem dicht beschriebenen Zettel von einer Größe von 43 x 34 cm dafür, dass die Bevölkerung auf die üblichen Warnzeichen wie die Sirene und das Hissen roter Flaggen zu achten habe und beispielsweise Zugführer die Fahrgäste im Angriffsfall informieren sollten.


Bekanntmachung des Essener Polizeipräsidenten vom 12. März 1917 über das Verhalten der Bevölkerung bei Fliegerangriffen.
Signatur: 910 Nr. 2105.
Nur Wenigen ist heute bewusst, dass tatsächlich bereits im Jahr 1917 Fliegerangriffe auf das Ruhrgebiet stattgefunden haben, so zum Beispiel in der Nacht vom 6. auf den 7. Juli 1917 durch französische Flugzeuge. Die Essener Chronik berichtet dazu, dass sich "ein überaus lebhaftes Abwehrschießen entfaltet habe" und dass "von dem Flieger Bomben in einem Dorfe, genau 40 Kilometer von Essen entfernt, abgeworfen worden seien". In der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 1917 wurden sechs Bomben auf die Bahnstrecke Dortmund-Dorstfeld abgeworfen, die den Bahnkörper beschädigten. Die Stadt Essen blieb erneut von Fliegerbomben verschont - was sich im Zweiten Weltkrieg grundlegend ändern sollte.

Heute: Visuelles Statement zeitgenössischer Schwerpunkte

Gleichsam spiegeln die Plakate aber auch zeitgenössische gesellschaftliche Themen wider und bieten so einen "Blick von unten" in die kulturelle Dynamik der Stadtgeschichte. Die Internationalen Essener Song Tage im Jahr 1968 waren ein über die gesamte Stadt verteiltes Musikfestival, welches den insgesamt ca. 40.000 Zuschauern an fünf Tagen rund 43 Konzerte mit über 150 internationalen und nationalen Künstlern präsentierte. Es wurde gemeinsam von einer Arbeitsgemeinschaft freier Veranstalter und dem Jugendamt der Stadt Essen als damals größtes europäisches Festival populärer Musik organisiert - elf Monate vor dem legendären Woodstock-Festival in den USA. Neben gesellschafts- und politkritischen Bands des Rock, Pop, Folk, Chanson und Underground prägten auch nicht-musikalische Darbietungen das Programm und waren in ihrer Gesamtheit ein elementarer Ausdruck der 1968er-Bewegung. Das Festival gilt zudem als Initialzündung für die Entwicklung einer eigenständigen deutschen Rockmusik und hatte einen starken Einfluss auf die nachfolgende Entstehung des deutschen Krautrocks und Politrocks.
Genauso künstlerisch pointiert wurde das hier zu sehende Plakat in auffälligem Grün und Rot von Gertrude Degenhardt und Reinhard Hippen gestaltet, ergänzt durch Collagen von händischen Skizzen. Für das Festival wurden noch andere Plakate angefertigt - alternativ in auffallenden hellen Rottönen samt Programmnachricht. Parallel zum Festival erschien das umfangreiche "Song-Magazin", ebenfalls von Degenhardt und Hippen künstlerisch anspruchsvoll illustriert und mit dem gezeichneten Konterfei von Frank Zappa auf der Titelseite.


Werbeplakat für die Internationalen Essener Song Tage vom 25. bis 29. September 1968.
Signatur: 910 Nr. 1084.

Ein ähnlich medienwirksames Ereignis war das Jahr der "RUHR.2010 - Kulturhauptstadt Europas". Stellvertretend für alle Städte des RVR-Verbandsgebietes repräsentierte die Stadt Essen das Ruhrgebiet als Europäische Kulturhauptstadt 2010 und somit den Wandel von der industriell geprägten Region hin zur unkonventionellen Kulturmetropole. Die offizielle Eröffnungsfeier fand am 9. Januar 2010 auf dem Gelände der Zeche Zollverein statt. Die Stadt Essen bot während des gesamten Jahres zahlreiche Veranstaltungen und Aktivitäten an, während die anderen 53 Städte für jeweils eine Woche als "Local Heroes" mit Sonderprogrammen vertreten waren.
Auf dem Imageplakat wurden die prägenden Elemente der Region visuell zusammengeführt, indem als Stellvertreter der Kultur ein modernes Tanzpaar vor der Kulisse des Industriedenkmals Weltkulturerbe Zollverein zueinanderfindet.


Imageplakat zur Kulturhauptstadt Essen 2010. Im Hintergrund die jährliche Eisbahn auf Zollverein.
Signatur: 910 Nr. 2865.

Ebenfalls durch Plakate überliefert ist die Grüne Bewegung, die sich seit ein paar Jahren in der Gesellschaft bemerkbar macht - das Verbot von Plastiktüten im Supermarkt, der Aufruf zu weniger innerdeutschen Flügen und die "Friday’s for Future"-Aktionen sind dafür nur wenige Beispiele. Die Stadt Essen erhielt im Jahr 2017 den Titel "Grüne Hauptstadt Europas". Die Veranstalter nutzten diese Auszeichnung für ein buntes und vielseitiges Rahmenprogramm und warben darin nicht nur - wie hier im Plakat zu sehen - zur Nutzung alternativer urbaner Mobilität, sondern regten weiterhin einen zukunftsfähigen interkommunalen und internationalen Dialog zwischen Wirtschaft, Bürgerschaft und Politik an. Gebündelt wurde die Organisation der Veranstaltungen im eigens von der Stadt Essen eingerichteten Projektbüro "Grüne Hauptstadt Europas - Essen 2017", das unter anderem für die Gestaltung von Werbematerial zuständig war. Dieses befindet sich nun als Sammlungsgut im HdEG/Stadtarchiv.
Im Jahr 2020 erhielt die Stadt Lissabon in Portugal den Titel "Grüne Hauptstadt Europas".


Werbeplakat für "Essens grüne Woche für urbane Mobilität" vom 16. bis 24. September im Rahmen der "Grünen Hauptstadt Europas Essen 2017".
Signatur: 1061 Nr. 96.

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