Waldpflege

Die städtischen Waldungen bestehen zum größten Teil aus Laubmischwäldern, die naturnah mit höchster Wirkung für den Biotop- und Artenschutz gepflegt werden.

Der Essener Wald: zertifiziert nach dem FSC®-Standard

Die Pflege und Entwicklung des städtischen Essener Waldes erfolgt nach den Standards des FSC®-Forest Stewardship Council® (Lizenz Code FSC®-C014716) – siehe auch www.fsc-deutschland.de. Dieses Zertifikat wird für die Waldpflege mit Holznutzung durch die großen Naturschutzverbände, durch große - meist öffentliche - Waldbesitzer und die für die Waldarbeit verantwortlich zeichnenden Gewerkschaften mitgetragen.

Die Ziele der Waldpflege in Essen sind das Ergebnis eines Bürgerbeteiligungsprozesses, in dem in einem aufwändigen und extern moderierten Verfahren über 50 Gruppen unterschiedlicher Stakeholder die Möglichkeit erhielten, ihre Meinung einzubringen. Mehr Informationen zum Bürgerbeteiligungsverfahren sind über die Seite "Bürgerbeteiligungsverfahren" erreichbar.

Wald und Sturm: Klimaschutz, Klimawandel und Resilienz

Nach den Erfahrungen mit den Sturm "Ela" haben Klimaschutz und Klimawandel einen besonderen Stellenwert in der Diskussion um die Waldpflege. Der Klimawandel lässt eine Zunahme extremer Witterungsereignisse (Niederschläge, Temperaturen, Sturm) erwarten. Hieraus ergeben sich Vorgaben hinsichtlich der Strukturen, die ein Wald haben sollte, um unter den sich ändernden Bedingungen besser überdauern zu können (Resilienz). Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft sollte der Wald besonders in Bereichen, in denen eine deutlich erhöhte Gefährdung durch Sturmereignisse besteht, eine Struktur aufweisen, die es ihm erlaubt, nach einem Verlust von Altbäumen durch Sturm ohne Pflanzung zu überdauern. Einschichtige, artenarme Waldstrukturen ohne Naturverjüngung sind auf solchen Standorten nicht als geeignetes Waldpflegeziel anzusehen.

Diese Aussagen beziehen sich auf die Ergebnisse aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen, unter anderem KAULFUß, S. (2012) sowie MINISTERIUM FÜR KLIMASCHUTZ, UMWELT, LANDWIRTSCHAFT, NATUR- UND VERBRAUCHERSCHUTZ DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN (2012). Erläuterungen hierzu können dem Abschlussbericht zum Bürgerbeteiligungsverfahren entnommen werden, erreichbar über die Seite "Bürgerbeteiligungsverfahren".

Försterin Sally Retz erläutert die Hintergründe der Waldpflege in Essen

Grundsätze und Prinzipien einer naturnahen Waldpflege im Wald der Stadt Essen

Ziel der Waldpflege ist die dauerhafte Erhaltung und Entwicklung der innerstädtischen Wälder als vielgestaltige naturnahe Ökosysteme, in denen alle natürlichen Entwicklungsstufen von Wäldern einschließlich der Terminal- und Zerfallsphase in einem dynamischen Waldgefüge vorhanden sind.

Wichtigste Aufgabe der innerstädtischen Wälder ist es, den Einwohnerinnen und Einwohnern der Stadt Essen als Erholungsraum zu dienen. Für Kinder und Jugendliche stellt der Wald einen Raum für Naturerfahrungen dar, der eine gesunde psychische und physische Entwicklung unterstützt. Ein ausreichendes und qualitativ hochwertiges Wegenetz wird erhalten und gepflegt. Besonders knorrige und ungewöhnliche Bäume (Einzelbaumschöpfungen) werden erhalten. Gleichzeitig erfüllen die innerstädtischen Waldflächen lebensnotwendige ökologische Funktionen, wie lokaler Klimaschutz (kühle und saubere Luft, Luftaustausch), Boden- und Erosionsschutz (Baldeneyhänge), Wasserschutz, vielfältiger Biotop- und Artenschutz (Biodiversität) sowie Sicht- und Immissionsschutz.

Die Funktion des Waldes im Kontext des Klimawandels wird hervorgehoben. Nicht allein der Kohlenstoffspeicher des Waldes, auch die Substitutionsleistung des Waldes ist bedeutsam. Weiterführende Informationen hierzu sind folgenden Download-Link verfügbar: Download: Mehr Informationen zum Thema Wald und Klima in Essen (pdf, 1365 kB) ReadSpeaker.

Es ist die Aufgabe der Waldpflege, Schutzfunktionen dauerhaft zu erhalten und zu entwickeln. Die Nutzfunktion, die Produktion von Nutzholz, tritt stark in den Hintergrund. Ein Zieldurchmesser (oder Alter) für die Nutzung der Bäume wird nicht festgelegt. Dennoch werden im Rahmen der Waldpflege Bäume gefällt und genutzt. Wesentliche Gründe hierfür sind die Steuerung der Konkurrenz zur Entwicklung vitaler, stabiler Einzelbäume, die Unterstützung der Entwicklung eines artenreichen Mischwaldes aus einheimischen Waldbaumarten und die Sicherstellung der Verkehrssicherheit in relevanten Verkehrsbereichen, also das Entfernen von Risikobäumen, die nicht mehr stand- und bruchsicher sind. Das im Rahmen der Waldpflege anfallende Holz ist ein CO2-neutraler Energieträger und ein ökologisch wertvoller Rohstoff.

Waldflächen ohne Pflege werden im Sinne der Zertifizierung nach dem FSC®- Standard im innerstädtischen Wald der Stadt Essen ausgewiesen, um auch störungsempfindlichen Tier- und Pflanzenarten nutzungs- und störungsfreie Bereiche im Wald zur Verfügung zu stellen. Der Anteil dieser Prozessschutzflächen an der Gesamtfläche beträgt zukünftig etwa 10% der städtischen Waldfläche. Baumwachstum und Walddynamik laufen dort ohne menschlichen Einfluss ab. Unter der Dominanz der Buche können sich Buchenaltholzbestände entwickeln. Auf diesen Flächen entstehen langfristig Wildnis-Inseln inmitten der Stadt. Diese Waldflächen stehen für Zwecke der Erholung nicht zur Verfügung und müssen für Waldbesucher gesperrt werden.

Ein attraktives Wegenetz nimmt den städtischen Erholungsverkehr innerhalb der Waldflächen auf und wird gemäß den örtlichen Verhältnissen erhalten und gepflegt. Für die Waldpflege und -entwicklung ist der jeweils gültige FSC® Standard maßgeblich.

Prinzipien der Waldpflege

Die Waldpflege orientiert sich an den folgenden Prinzipien.

  • Dauerwaldprinzip: Die Essener Wälder werden grundsätzlich kahlschlagsfrei gepflegt und zu ungleichaltrigen, strukturreichen Dauerbestockungen entwickelt. Strukturelles Leitbild ist die kleinflächige Mischung aller natürlichen Altersstufen einschließlich der Zerfallsphase. Ein walddynamisch angemessener Anteil der Bäume im Essener Wald soll alt und dick werden.
  • Mischwaldprinzip: Die Waldpflege entwickelt Mischwälder mit standortheimischen Baumarten und einer hohen Artenvielfalt auf der Grundlage der zum Teil kleinflächig wechselnden standörtlichen Verhältnisse. Horizontal und vertikal gemischte Wälder besitzen das höchste Selbstheilungsvermögen (Resilienz) nach natürlichen Störungen wie zum Beispiel Sturm und die höchste Anpassungsfähigkeit im Hinblick auf den Klimawandel.
  • Vorrang der Naturverjüngung: Die natürliche Verjüngung der Wälder durch Samenfall hat zur Bewahrung des standörtlich angepassten Erbguts autochthoner Baumpopulationen Vorrang vor Saat und Pflanzung. Gleichzeitig wird die genetische Vielfalt gesichert. Der Zufall und die lichtökologischen Verhältnisse bestimmen die Baumartenzusammensetzung. Aufforstungen werden nur lokal begrenzt und mit standortgerechten Baumarten vorgenommen. Sie dienen dem Ziel des Mischwaldprinzips und zur Umsetzung des Bürgerengagements.
  • Prinzip der Chemiefreiheit: Auf den Einsatz von Pestiziden und Düngern wird grundsätzlich verzichtet.
  • Anwendung sanfter Betriebstechniken: Baumfällungen, Holzrückung und Bestandes-pflegearbeiten erfolgen zu Zeiten und mit Verfahren die eine bestmögliche Bestandes- und Bodenschonung ermöglichen. Während ökologisch sensibler Zeiten finden Arbeiten im Wald nicht statt.
  • Prinzip der GVO-Freiheit: Gentechnisch veränderte Organismen werden im Wald der Stadt Essen nicht eingesetzt.
  • Verkehrssicherungspflicht: Im städtischen Wald werden die jeweils aktuellen Bestimmungen zur Verkehrssicherungspflicht nach anerkannten Regelwerken umgesetzt. Waldaußenränder zu Bebauungen oder öffentlichen Verkehrsflächen unterliegen einer besonderen Verkehrssicherungspflicht. Hier wird bei der Waldpflege auf Einschränkungen in der Stand- und Bruchsicherheit von Bäumen geachtet. Im Zweifel hat die Unversehrtheit der Bürgerinnen und Bürger sowie von Hab und Gut Vorrang vor der Naturfunktion der Bäume.
  • Kombination von integrativem und segregativem Naturschutz, Totholz- und Habitatbaum-Management: Das seit 2009 bestehende Habitatbaumkonzept wird konsequent umgesetzt und evaluiert. Stehendes und liegendes Totholz ist in den innerstädtischen Wäldern nach dem Sturm "Ela" im Übermaß vorhanden.

Erläuterungen zu den Waldpflege-Prinzipien

Sinn und Zweck der vorgenannten Prinzipien im Konzept der Waldpflege lassen sich wie folgt erläutern. Die Pflege im Sinne des Dauerwaldprinzips ermöglicht das Entstehen horizontal und vertikal reich strukturierter Wälder. Dies ist neben dem Mischwaldprinzip als wesentliches Merkmal für Wälder anzusehen, die auf die Auswirkungen des Klimawandels nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen bestmöglich vorbereitet sind und entspricht überdies dem im Bürgerbeteiligungsverfahren (siehe Link in der rechten Spalte dieser Seite) von einer überwiegenden Mehrzahl der befragten Personen geäußerten Bürgerwillen.

Um dies zu ermöglichen, ist es weiterhin erforderlich, auf Kahlschläge zu verzichten und die Verjüngung durch Samenfall (Naturverjüngung) zu ermöglichen. Zur Unterstützung der natürlichen Verjüngung der Waldbestände wird daher insbesondere nach den Folgen des Orkans kurz bis mittelfristig die Anpassung des Schalenwildbestandes an den natürlichen Lebensraum notwendig. Wo möglich, werden Flächen komplett aus der Bewirtschaftung herausgenommen und als Prozessschutzflächen ausgewiesen (segregativer Naturschutz). Diese Flächen müssen als zusammenhängende Flächen eine gewisse Ausdehnung haben und sich gegenüber den Waldwegen sicher abgrenzen lassen. Dies dient dazu, die erholungssuchenden Bürger vor Gefahren zu schützen, die von nicht gepflegten Waldflächen ausgehen können. Prozessschutzflächen sind für Erholungssuchende gesperrt und werden entsprechend markiert. Besondere Pflichten für die Verkehrssicherung entlang der Waldwege entstehen auf einem Streifen baumfallender Länge. Fasst man diese Informationen zusammen und analysiert die städtischen Waldflächen anhand dieser Merkmale, so ergibt sich der bereits genannte Flächenanteil von rund 10 Prozent für Prozessschutzflächen.

Das bedeutet aber nicht, dass auf dem Rest der Fläche auf Waldnaturschutz verzichtet wird. Zum Beispiel ist das bereits vorhandene Habitatbaumkonzept, das nach "Ela" überarbeitet werden muss, eine Maßnahme des integrativen Naturschutzes. Es integriert die Zerfallsphase natürlicher Waldentwicklung in den Dauerwald. Die Konstellation des eng mit den Wohnbereichen der Bürgerinnen und Bürger verflochtenen und folglich intensiv zur Erholung genutzten städtischen Waldes in Essen erlaubt also eine starke Berücksichtigung von Naturschutzinteressen bei der Waldpflege.

Das Prinzip der Chemiefreiheit, der Verzicht auf gentechnisch veränderte Organismen und die Anwendung sanfter Betriebstechniken sind Vorgaben, die sich bereits aus der Zertifizierung nach dem FSC©-Standard ergeben, der von den nationalen Umweltverbänden anerkannt ist. Große Teile des Totholzes sollen erhalten werden. Beräumungen erfolgen entsprechend dem mehrheitlichen Wunsch der Essener Bürger nach "Teilräumung". In weiten Teilen des Waldes bleibt das Sturmholz liegen und unterliegt dort den natürlichen Zersetzungsprozessen. Auf Flächen ohne Pflege (Prozessschutz; Erhöhung von 8,6 Prozent auf zirka 10 Prozent der Gesamtfläche) bleibt das Totholz entsprechend des Wildnisgedankens komplett erhalten.

Die Grundsätze und Prinzipien der naturnahen Waldpflege im Wald der Stadt Essen verwirklichen beispielhaft die Ziele der "Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt" vom Dezember 2007 und machen ihn zukunftsfähig. Das Konzept der naturnahen Waldpflege im Wald der Stadt Essen erfüllt in besonderer Weise die Anforderungen des FSC®-Standards beziehungsweise geht über diese hinaus. Informationen zur Zertifizierung nach dem FSC®-Standard sind über folgenden Link verfügbar: Zertifizierung nach dem FSC®-Standard

Kontakt: waldprojekt@gge.essen.de

Habitatbaum im Wald

Mischwald aus mehreren Baumarten

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